Von 1793 bis 1925

Werdegang der Musikvereinigung und der Musikpflege in Jockgrim

Chronik des Musikvereins Jockgrim – von Bernhard Reiß

Die offiziellen Unterlagen des Musikvereins Jockgrim reichten bis in das Jahr 1925 zurück. Aus diesem Jahr stammt auch das heute noch vorhandene Gründungsprotokoll unseres Vereins. Dass auch schon vorher in Jockgrim musiziert wurde, war zwar allgemein bekannt – die Gründung 1925 war genau genommen eine Wiedergründung -, doch fehlten die entsprechenden Unterlagen, um dies zu beweisen. Aufgrund von intensiven und langwierigen Nachforschungen unseres Mitgliedes Hans Rasimus konnte schließlich festgestellt werden, dass bereits im Jahre 1793 in unserem Ort in Gemeinschaften musiziert wurde (vom Empfehlungsausschuss wurde das Jahr 1825 offiziell anerkannt). Diese Unterlagen waren die Grundlage zur Verleihung der Pro-Musica-Plakette durch den Bundespräsidenten, die uns am 04. Juni 1972 in Speyer von Kultusminister Dr. Vogel überreicht wurde.

Im folgenden nun ein Auszug aus diesen Unterlagen, die Hans Rasimus zusammengesucht hat und die in Form von beglaubigten Fotokopien beim Verfasser dieser Zeilen vorliegen und dort jederzeit eingesehen werden können.

1793

Aus der Gemeinderechnung für das Jahr 1793 geht hervor, das Jockgrim 11 Mann Freiwillige –  auch Volontairs genannt – für den Krieg zu stellen hatte. Sie wurden üblicherweise angeworben und auf den Abtransport vorbereitet. Bis zum Tage ihres Abmarsches aber wurden sie auf Gemeindekosten zehrfrei gehalten. Die verausgabten Zehrungskosten von 739 Livres für die 11 Mann schienen der zuständigen Aufsichtsbehörde jedoch überhöht, so dass sie den Betrag mit der Randbemerkung minderte: „Für die 11 Mann auf 5 Tag, a 6 L für jeden Tag, sodann für ihr Frühstück vor dem Abmarsche a 2 L für jeden, und für die Spielleute überhaupt 44 L, zusammen also zu passieren 396 Livres.“

Offenbar haben die angeworbenen Volontairs ihre Wartezeit nicht allein mit reichlich Essen und Trinken verbracht, sondern auch mit Musik undTanz, denn mit dem Begriff „Spielleute“ sind Musikanten gemeint.

Die besagte Gemeinderechnung ist abschließend vom Bürgermeister und den Ratsmitgliedern zur Kenntnisnahme und Billigung eigenhändig unterschrieben.

Aus belegten Aufzeichnungen geht hervor, dass Jockgrim bereits 1793 „Spielleute“, d.h. Musiker hatte, die zum Tanze und zur Unterhaltung der Bevölkerung aufspielten.

1799/1800

Aus der Gemeinderechnung für das „7. Jahr der Republik“, d.h. für 1799/1800, geht hervor, dass in Jockgrim mehrere „National-Feste“ gefeiert wurden, deren Kosten die Gemeinde zu tragen hatte. Ein solches fand auch am 10. Prairial des 7. Jahres statt, d.h. am 29.05.1799. Die Rechnung verzeichnet daher:“ Item zahlt dem Agent Braun-holt von Candel, für die Musicanten beym Fest des 10.ten Prairial lauth Quit. Nro 31 … 3 Fr.“ – Es spielten also die Jockgrimer Musikanten zur Verschönerung des Festes, wofür sie von dem Agenten des Kantons 3 Fr. erhielten, die dieser wieder von der Gemeindekasse einkassierte.

1803/04

Im 12. Jahr der Republik, d.h. 1803/04 am „Schwöhrtag“ (= Krönungstag und Eidesleistung Kaiser Napoleons I.) hatte die Gemeindekasse einen Beitrag für die Festmusik zu leisten, der in der Gemeinderechnung als „Antheil für die Musicanten beym Kaiserl. Schwöhrtag Laut q. Nr. 55“ mit 6 Fr. verzeichnet ist.

1807

Im Trauungsbuch für das Jahr 1807 des Standesamtes Jockgrim finden wir eine in französischer Sprache abgefasste Eintragung, in der der 23jährige, am 29.08.1785 geborene, Johann Josef Ochsenreither bei seiner am 14.11.1807 erfolgten Eheschließung mit Katharina Feinholtz als „garcon musicien“, d.h. Jungmusiker, bezeichnet wird. Zweifellos war Joh. Josef Ochsenreither ein Musiker in Jockgrim.

1811

Der „Maire“ von Jockgrim, Bürgermeister Ochsenreither, richtete am 01.05.1811 eine Zuschrift an den Präfekten des Niederrheinischen Departements in der er einen Vor-schlag zur Programmgestaltung unterbreitete, wie man „das Erhabene Geburts-Fest unseres erlauchten Prinßen und Königs von Rom“, d.h. das Fest aus Anlass der Geburt des Prinzen Napoleon II., des Herzogs von Reichsstadt (1811-1832), Sohn Napoleon I. mit Maria Louise, in Jockgrim zu gestalten denkt. Darin wird u.a. vorgeschlagen: „ … 2. Sollen die ledige Jugend beyderley Geschlechts, zwey schöne Halstücher, und zwey neue Hüth zum Austanzen bekommen; … 4. Sollen in zwey Gasthäußer die Musikanten auf rechnung der Gemeinde, und der Wein darzu soviel von dem Maire verordnet werden wird frey gegeben werden …“

1816-89

Die Rechnungsbelege der Armen-Casse – auch Armen-Pflegschaft genannt – sind für die Jahre 1816-1889 nahezu vollständig im Gemeindearchiv vorhanden. Aus ihnen geht hervor, dass Jahr für Jahr die Gastwirte Abgaben von öffentlichen Belustigungen (d.h. für Tanzmusik zu Fastnacht, Königstag, Kirchweih u.a. Gelegenheiten) leisteten, die als ordentliche Einnahmen verbucht neben Kapitalzinsen, Gemeindezuschuss, Hundesteuer und Polizeistrafgelder regelmäßige, sich jährlich wiederholende Einnahmequelle der Armenkasse war.

1832

In dem Trauungsbuch für das Jahr 1832 des Standesamtes Jockgrim wird unter dem Datum vom 18.11. die Eheschließung des am 04.07.1808 geborenen Georg Blando mit Maria Regine Dobler verzeichnet. Der Bräutigam wird darin als „Feldbauer auch Musikus“ bezeichnet.

1840/41

In den „Namenslisten zu den Sectionsbücher und Mutterrollen der Gemeinde Jockgrim“, Band 7, Seite 3, Nr. 184a, steht verzeichnet, dass der am 27.06.1818 geborene Franz Peter Reiß, Musikant und Ackerer, in den Jahren 1840/41 einen Acker erbte

1842

Unter dem Datum vom 23.05.1842 gab das Landkommissariat Germersheim eine Zu-schrift an die Gemeinde Jockgrim, aus der hervorgeht, dass man den beantragten Kredit von 8 fl. und 24 Kr. bewillige, der zur Bestreitung der Kosten anläßlich der „Erhöhung der Feyer der diesjährigen Fronleichnams-Prozession durch Musik und Schießen“ verwendet werden soll.

1866

In seiner Sitzung vom 26.04.1866 beschäftigte sich der Gemeinderat mit dem Vorschlag, den 50. Befreiungstag festlich zu begehen, wobei ein feierliches Hochamt mit Musikbegleitung stattfinden, sowie eine Musikveranstaltung durchgeführt werden solle.

1885

Ein Gemeinderatsbeschluss vom 21.08.1885 spricht von Tanzmusik zur Feier des Namensfestes Seiner Majestät des Königs in der Wirtschaft des Peter Schäfer. Dem Gesuch wurde nicht stattgegeben, da in den anderen Gaststätten keine Tanzmusik stattfände und es einer politischen Demonstration gleichkäme, so es im Schäfer’schen Gasthaus eine Tanzveranstaltung gäbe.

1890

In dem Verzeichnis der Gewerbetreibenden der Gemeinde Jockgrim im Jahr 1980 ist für das 4. Quartal eingetragen, dass Gruber Leopold, Maurer, Schehr Franz, Gebhart Rudolf, Krämer, Ochsenreither Valentin, Schreiner, Gruber Franz, Fabrikarbeiter, und Triebsch Emil seit dem 10.11.1889 (d.h. dem Vortag der Jockgrimer Kirchweih !)bzw. seit dem 16.02.1889 als Musiker „in Gemeinschaft zu Tanzmusik aufspielen“. Die Eintragung in das Verzeichnis erfolgte „von Amtswegen“.

Aus den 1890er Jahren sind der Jockgrimer Bevölkerung älteren Jahrgangs heute noch Namen von Musikern bekannt; so z.B. Reiß Josef, Nunnenmann Franz, Nunnenmann Georg, Kirchmer Franz, Hermann Wilhelm, Sitter Franz (von Triebsch Emil im Musikspiel angelernt), usw. Die Musikproben fanden in Hause des Gruber Leopold statt, der wie sein Bruder Franz hervorragend die Trompete zu spielen wusste. Gebhardt Rudolf spielte die Klarinette. – Als äußeres zeichen der Gemeinschaftlichkeit trugen die Musiker jener Zeit gleiche Mützen mit der Lyra.

1894

Der Gemeinderat behandelte in seiner Sitzung am 27.07.1894 das Gesuch des Jockgrimer Krieger- und Soldaten-Vereins an die Gemeinde um Genehmigung „ mit Musik durch den Ort Jockgrim marschieren zu dürfen“.

1895

Am 23.08.1895 behandelte der Gemeinderat abermals ein Gesuch des Jockgrimer Krieger- und Soldaten-Vereins. Dieser bat, ihm bei der am 31.08. und am 01.09. vorgesehenen Sedanfeier den Umzug „mit Musik durch die hiesigen Ortsstraßen“ zu genehmigen.

1896

Der Vorstand des Krieger- und Soldaten-Vereins Jockgrim richtete am 06.06.1896 ein Gesuch an das kgl. Bezirksamt Germersheim und bat, aus Anlass des Festes einer Fahnenweihe „am Samstag den 13. Juni Abends 9 Uhr mit Zapfenstreich und Musik und am Sonntag den 14, Juni mit den eingeladenen auswärtigen Vereinen, Mittags gegen 12 ½ und 3 Uhr und Abends zwischen 7 ½ und 9 Uhr mit Musik durch die Ortsstraßen Jockgrims marschieren“ zu dürfen. Der Verein beabsichtige ferner „von Abends 9 Uhr bis Morgens 3 Uhr in der Wirtschaft zum Schwanen von F.J. Keiber dahier einen Vereinsball abzuhalten“.

1898

In seiner Sitzung vom 08.03.1898 behandelte der Gemeinderat das Gesuch des Krieger- und Soldaten-Vereins Jockgrim, „bei Beerdigung von Mitgliedern des Kriegervereins dieselbe mit Trauermusik begleiten und bei Beerdigungen von Kriegern die üblichen Ehrensalven abgeben zu dürfen“.

1901

Das Sitzungsprotokoll des Gemeinderates vom 04.03.1901 spricht von einer musikalischen Feier aus Anlass des 80. Geburtstagsfestes Seiner kgl. Hoheit des Prinzregenten Luitpold, der auch in Jockgrim höchstes Ansehen genoss. Eine Ortsstraße trägt auch heute noch seinen Namen.

1903

Der Vorstand des Römerbad-Vereins Jockgrim-Rheinzabern richtete am 19.06.1903 ein Gesuch an die Gemeinde Jockgrim mit der Bitte, ihm die Genehmigung zur Durchführung eines Festzuges mit Musik anläßlich seines für den 21.06. vorgesehenen Waldfestes zu erteilen.

1913

In den Akten eines etwa 1913 verhandelten Rechtsstreites vor dem Schöffengericht Kandel/Pfalz wird mehrmals auf die Musikvereinigung in Jockgrim Bezug genommen:

Zeuge Pfarrer Zimmermann sagte aus, dass in den Jahren vor 1912 bei den Fronleichnamsprozessionen die sog. Fabrikkapelle spielte. Die Musiker hatten eigene Musikinstrumente, daneben aber auch solche, die die Ziegelfabrik Ludowici/Jockgrim stellte.

Die Aussage eines weiteren Zeugen – es ist dies Franz Kirchmer – selbst aktiver Musiker, bestätigte die Aussage des Pfarrers.

Der Zeuge Josef Kirchmer II., Ziegeleiarbeiter, sagte gleichfalls aus, dass die Musik bis zum Jahre 1912 alljährlich bei der Fronleichnamsprozession gespielt habe.

1925

Im Jahre 1923 wurde in der Nähe des Jockgrimer Bahnhofes ein Attentat auf einen Güterzug der französischen Besatzungsmacht durchgeführt, bei dem ein Güterwagen mit Kohlen umstürzte. Der Verdacht fiel unberechtigterweise auf Einwohner der Gemeinde Jockgrim; denn eine aktive Beteiligung ist den Jockgrimern bis heute nicht nachgewiesen. Bedauerlicherweise war die erste Maßnahme der Besatzer ein generelles Verbot jeglicher Art von Versammlungen und die Auflösung aller Jockgrimer Vereine.

Erst nach mehrmaliger Vorsprache des Fabrikbesitzers W. Ludowici bei den zuständigen Behörden wurde eine Lockerung des Verbotes erreicht. Es mussten jedoch die Vereine um eine Neugründung einkommen. Aufgrund der Genehmigung der Wiederzulassung wurde die Gründung des Musikvereins Jockgrim sodann am 15.07.1925 vollzogen.

Muikverein Jockgrim 1928
Muikverein Jockgrim 1928

Von links nach rechts:

1. Dirigent Wiegand 2. Nunnenmann, Georg 3. Hellmann, Franz
4. Kirchmer, Franz 5. Jantzer, Josef 6. Langolf, Karl
7. Nunnenmann, Max 8. Kirchmer, Egid 9. König, Josef
10. Jäger, Albert 11. Gebhart, Konrad 12. Berdel, Albert
13. Werling, Albert 14. Werling, Franz 15. Gruber, Georg
16. Hoffmann, Karl 17. Weigel, Julius 18. Kirchmer, Franz
19. Reiß, Franz 20. Klein Wilhelm (Bub) 21. Kleinlein Ludwig

Seit diesem 15. Juli 1925 gibt es also wieder einen „offiziellen“ Musikverein Jockgrim und ebenso existieren glücklicherweise auch Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Der ehemalige Vorsitzende und heutiges Ehrenmitglied Emil König hat anlässlich des Musikfestes 1955 den Werdegang des Vereins bis zu diesem Datum so eingehend und genau beschrieben, dass diesem Wortlaut nichts hinzugefügt oder abgestrichen werden kann und hier wiederholt wird:

Das Jahr 1925 brachte für das Jockgrimer Volksmusikleben ein besonderes Ereignis. Am 15.07.1925 wurde der Musikverein Jockgrim offiziell gegründet. Die Gründung des Vereins stand unter der Schirmherrschaft von:

Kommerzienrat Dr. phil. h. c. Wilh. Ludowici
Dipl. Ing. Dr.-Ing. Wilh. Ludowici jr.
Ludwig Franz Ludowici
Carlo Ludowici

Sowie des damaligen 1. Bürgermeisters und Ehrenmitgliedes Eduard Reiß.

Die Vorstandschaft setzte sich wie folgt zusammen:

1. Vorstand  Franz Kirchmer
2. Vorstand Georg Nunnenmann
Dirigent  Georg Weigel II
Schriftführer Karl Werling
Vereinsdiener  Albert Berdel
Notenwart Josef König
Kapellendiener Theobald Weixel
Der Mitgliederstand betrug am Gründungstag 32 aktive und 30 passive Mitglieder.